The Deconstructing Bee

Woher kommt die Höllenlehre?

Lesezeit: 5 Minuten

In Short

  • Das Alte und das Neue Testament beschreiben das Leben nach dem Tod sehr unterschiedlich.
  • Die Idee einer Hölle ist im Neuen Testament sehr präsent. Woher könnte der Gedanke kommen, wenn man sich den historischen Kontext anschaut?

Die Hölle - Teil 1

Früher war ich die Art von Christin, die jedes Jahr einmal ihre Bibel durchliest. Wenn man das macht, ergeben sich ganz natürlich theologische Fragen. Ein Fragenkomplex war besonders in den Jahren sehr präsent, in denen ich nicht chronologisch durch die Bibel ging, sondern jeweils ein Kapitel aus verschiedenen Bibelbüchern parallel las: Die Diskrepanzen zwischen dem Alten und dem Neuen Testament hat mich nie ganz losgelassen.

Das betrifft natürlich ganz unterschiedliche Themen, aber eines dieser Themen war das Leben nach dem Tod. Himmel und Hölle waren im neuen Testament gefühlt omnipräsent, während mir im alten Testament nur sehr wenig zu den Themen begegnete. Warum war das so? Damals fand ich es unfair, dass die Ewigkeitshoffnung, die ich hatte, den Menschen im AT nicht so präsent sein durfte. Heute interessiert mich das Gegenteil genauso sehr: Wie kann das AT überhaupt nicht und das NT so viel von der Hölle sprechen? 

Das Thema Hölle ist riesig, weshalb ich zwei verschiedene Einträge verfasst habe. Hier im ersten Teil geht es erst einmal um das biblische Bild einer Hölle und die Konsequenzen dieser Lehre. An anderer Stelle geht es spezifischer um Angst und das Gottesbild, das die Höllenlehre hervorbringt. 

Christliche Vielfalt

Zunächst muss ich voranstellen, dass nicht alle Christen an eine Hölle glauben. Es gibt drei Hauptideen christlicher Konfessionen davon, was mit den Gottlosen nach ihrem Tod geschieht. Innerhalb dieser Konzepte gibt es natürlich noch viele verschiedene Varianten, hier nur die Grundvorstellungen:

1. Die Hölle: Ewiges Leiden

Diese traditionelle Position vertritt immer noch ein Großteil der Christenheit (römisch-katholische Kirche, ostorthodoxe Kirche, anglikanische Kirche, viele evangelikale und konservative protestantische Denominationen…). Allerdings variieren die Vorstellungen darüber, wer warum dort landet.

2. Annihilationismus

Einige wenige Denominationen (Adventisten, Zeugen Jehovas, wenige evangelikale Theologen) vertreten die Lehre, dass nicht gerettete Menschen vernichtet werden und nach dem Tod nicht weiterexistieren.

3. Universalismus

Einige liberale und progressive Christen vertreten die Position, dass am Ende alle gerettet und mit Gott versöhnt werden.

Diese drei Positionen sind widersprüchlich, aber alle sind offensichtlich theologisch vertretbar. Das wird schon dadurch deutlich, dass bereits in der frühen Kirche alle drei Sichten vertreten würden: Augustinus von Hippo (354-430 n. Chr.) und Tertullian (ca. 155-240 n. Chr.) vertraten die traditionelle Höllenvorstellung, Irenäus von Lyon (ca. 130-202 n. Chr.) vertrat die Annihilation und Origenes von Alexandria (ca. 184-253 n. Chr.): und Gregor von Nyssa (ca. 335-395 n. Chr.) den Universalismus.

Die Sicht des ewigen Verderbens hat sich am erfolgreichsten durchgesetzt, weshalb ich die Position hier weiter beleuchten werde. Dazu die Kernfrage: Welches Bild von der Hölle zeichnet eigentlich die Bibel?

Hölle im AT

Die biblischen Begriffe, die mit Hölle übersetzt oder assoziiert werden, beschreiben Hölle jeweils unterschiedlich. Das hat zur Konsequenz, dass manche Ausleger sogar behauten, eigentlich gäbe es kein biblisches Höllenkonzept und unsere Höllenvorstellung sei durch die andere Kulturen (v. A. griechische und ägyptische Verstellungen) und Ideen der Kirchenväter geprägt worden sei.

Die alttestamentliche Scheol (hebr. שְׁאוֹל) ist die Totenwelt, in die sowohl Gläubige als auch Ungläubige kommen (vgl. u. A. Psalm 89,46).

Der Begriff kommt 65 Mal im AT vor und beschreibt vorrangig einen moralisch neutralen Ort. Allerdings gibt es auch einige wenige Stellen, die von einer Auferstehungshoffnung sprechen (Jesaja 26,19; Hiob 19,25-27; Hosea 13,14,…) Der Kontrast, also eine negative Auferstehung, findet sich nur an einer Stelle: in Daniel 12,2:

Und viele, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande.

Es ist demnach unwahrscheinlich, dass die alttestamentlichen Helden sich das Leben nach dem Tod als eine Existenz in Himmel oder Hölle vorgestellt hätten. Das Alte Testament sagt schließlich nichts Eindeutiges über eine Hölle. Es wird von einer allgemeinen Totenwelt ausgegangen, die vielleicht einzelne negativer als andere beschreiben oder erleben werden würden. Man könnte sich höchstens eine wage, wackelige Theologie von einem Leben nach dem Tod erarbeiten.

 

Ganz anders sieht es jedoch im NT aus. Besonders in der Lehre Jesu kommt das Thema viel vor. Woher kommt plötzlich der Gedanke eines doppelten Ausgangs für Menschen?

Man könnte nur christlich mit einer progressiven Offenbarung argumentieren, dass im AT die Grundlagen von Gerechtigkeit und Gericht gelegt werden, sodass im NT die Erlösungslehre in Jesus dargelegt werden könnte. Mit Jesus käme die Klarheit von Erlösung und eben auch Vernichtung. Mir scheint der Unterschied zwischen beiden Testamenten hier aber sehr groß zu sein.

Die Zeit zwischen den Testamenten

Es darf aus historischer Perspektive nicht unterschätzt werden, dass zwischen den Testamenten einige Jahrhunderte (Ideen-)Geschichte stecken. In dieser zwischentestamentlichen Zeit entstehen auch Schriften, die aber nicht in der (evangelischen) Bibel gelandet sind. In diesen Schriften spielen apokalyptische Ideen und Konzepte eines Lebens nach dem Tod eine größere Rolle als in den kanonischen Texten (also denjenigen, die in der Auswahl der Bücher der Bibel enthalten sind). Dass diese Themen für das jüdische Volk über Jahrhunderte an Bedeutung gewannen, findet sich in Ansätzen auch schon in den späteren biblischen Büchern. Man sieht diese Schwerpunkte beispielsweise auch schon im Buch Daniel.

 

Beispiele aus diesen apokryphen Schriften sind…

  • im Äthiopisches Henochbuch (Visionen von einem Gerichtstag und der Auferstehung der Gerechten)
  • in 4. Esra (Kommen des Messias und die Auferstehung der Toten)
  • in 2. Makkabäer (Kapitel 7 beschreibt das Martyrium der sieben Brüder und ihre Hoffnung auf eine Auferstehung) und
  • in der Weisheit Salomos (Spricht von der Unsterblichkeit der Seelen und der Vergeltung nach dem Tod)

…zu finden. Mit diesen Schriften im Hintergrund scheint der Sprung zwischen der Totenwelt im AT und der Hölle im NT nicht mehr ganz so groß.

Kulturelle Einflüsse

Dass diese Themen die religiösen Schriften der Zeit prägten, lässt sich unter anderem durch die Einflüsse anderer Kulturen erklären. Besonders zwei Kulturen mit ihren Vorstellungen der Welt der Totenwelt könnten das Judentum so geprägt haben, dass das NT mit der Höllenidee vertraut ist.

Zoroastrismus

Der Einfluss kann z. B. durch das babylonisches Exil (586-539 v. Chr.) erklärt werden. In der Exilszeit waren die Israeliten in enge geografische und kulturelle Nähe zu den Persern. Auch nach dem Ende des babylonischen Exils bestand ein weiterer Einfuss, denn das persische Reich unter Kyros dem Großen wurde zum neuen Herrscher über die Juden.

 

Die Perser waren Anhänger des Zoroastrismus, und die jüdische Gemeinde kam direkt mit dieser Religion in Kontakt. Im Zoroastrismus gibt es eine klare Lehre eines Dualismus zwischen Gut und Böse, verkörpert durch Ahura Mazda (Gott des Lichts) und Angra Mainyu (Geist des Bösen). Es ist die Rede von der Auferstehung der Toten zu einem endgültigen Gericht, bei dem die Seelen der Toten beurteilt und in Himmel und Hölle eingeteilt werden.

Hellenismus

Auch der Hellenismus hat großen Einfluss auf das jüdische Volk und damit (vielleicht) auch ihre religiösen Vorstellungen gehabt. Die griechische Philosophie, besonders der Platonismus, sprach von der Unsterblichkeit der Seele. Der Hades ist die Totenwelt in der griechischen Mythologie. Er umfasst verschiedene Bereiche wie die elysischen Feldern (für die Tugendhaften) und den Tartaros (für die Verdammten). Im Tartaros, dem tiefster Teil der Unterwelt, werden die schlimmsten Sünder bestraft, und es gibt eine Vorstellung von ewiger Strafe und Qual. Es gibt also klare Unterscheidungen zwischen verschiedenen Schicksalen nach dem Tod und diese Totenwelt ist im Gegensatz zur Totenwelt im Judentum des ATs moralisch strukturiert. 

 

In der Zeit zwischen den Testamenten sind immer mehr Juden in der Diaspora. Die Lingua Franca Griechisch wurde auch für viele von ihren zur Muttersprache, sodass die Nachfrage nach einer Übersetzung der hebräischen Bibel ins Griechische entstand. So entstand die der Septuaginta, die für die Juden in den Jahrhunderten um Jesu Geburt herum prägend war. Der Begriff Scheol (hebr. שְׁאוֹל) mit Hades (ᾅδης) übersetzt. Mit dieser Übersetzung bekommt der Begriff eine neue Konnotation: Denn die beschriebene Vorstellung des Hades als Teil der griechischen Götterwelt ist nicht deckungsgleich mit der Scheol, sodass sich die Idee kulturell umgewichtet. Wir erinnern uns: Scheol ist neutral, Hades ist negativ.

 

Hölle im NT

In den Schriften des NTs wird es etwas komplexer, da verschiedene Begriffe verwendet werden:

  • Der Begriff „Hades“ wird auch im NT weiterverwendet (10x, v.A. in Matthäus, Lukas + Apostelgeschichte und Offenbarung), nun aber negativ gefüllt und in unseren deutschen Bibeln z. T. mit Hölle übersetzt.
  • Ein anderes wichtiges neutestamentliches Wort ist „Gehenna“ (γέεννα, 12x v. A in Markus und Matthäus). Damit ist auf der Wortebene das Hinnomtal in der Nähe Jerusalems gemeint, in dem vermeindlich Menschenopfer dargebracht wurden (2. Könige 23,10; Jeremia 7,31). Diese Geschichte macht das Tal zum Bild für eschatologisches Gerichtshandeln Gottes.
  • Das Motiv des Feuers findet sich auch in anderen Beschreibungen der „Hölle“, ohne, dass direkt eines der Worte genutzt wird (u. A. Matthäus 13,42).
  • Auch wird der Ort als „Ort der Finsternis“ umschrieben (u.A. Matthäus 8,12).
  • In der Offenbarung gibt es dann noch spezifischere Begriffe, die den Verbleib von dem Teufel beschreiben (Abgrund, Feuersee…)

Es bleibt festzuhalten: Das biblische Bild von einer Hölle ist alles andere als übersichtlich. Jedes Bild, das man aus diesen Puzzleteilen zusammenbastelt, ist unvollständig. Der Versuch, eine einheitliche Vision der Hölle darzustellen, bringt Konzepte und Ideenwelten unter einen Hut, die unterschiedliche Zustände beschreiben oder diese auch nur verbildlichen. Aber dass es ein schwammiges Bild ist, macht es noch lange nicht harmlos.

Denn selbst, wenn man ausklammert, wie diese Beschreibungen entstanden und beeinflusst wurden, bleibt ein unklares Bild von einem Ort oder einem Zustand übrig, den niemand erleben wollen würde. Die Lehre einer Hölle kann Menschen tief prägen und beeinflussen. Die Höllenlehre des Neuen Testaments wirft viele Fragen zum Gottesbild auf, die ich im nächsten Eintrag behandeln werde. 

Hast du die Diskrepanz zwischen Altem und Neuem Testament auch als so verwirrend wahrgenommen, als sie dir zuerst aufgefallen ist? Schreib es mir gern in die Kommentare!

Du hast einen (Rechtschreib-)Fehler gefunden? Dann kannst du ihn mir ganz einfach mitteilen, indem du die Textstelle markierst und Strg und Enter drückst. Dann öffnet sich ein Kommentar- und Bestätigungsfeld, damit du im Falle eines inhaltlichen Fehlers erklären kannst, was du meinst. Vielen Dank schonmal!

Ähnliche Beiträge:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

×

Spelling error report

The following text will be sent to our editors: